duschen ist KEIN heavy metal
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Wacken Open Air 2005
Los geht's! Wir schreiben die 30te Kalenderwoche,
und diese Woche war wirklich gut: meine letzten beiden Klausuren liegen hinter mir und zu allem Überfluss gewinne ich auch noch einen Bosch-Retro-Kühlschrank der Brauerei Gilden Kölsch bei einem Preisausschreiben, da sieht man es mal wieder: Trinken zahlt sich eben aus! Die Planung für das Wacken-Open-Air ist bereits abgeschlossen und die letzten Besorgungen sind gemacht.

Nachdem wir letztes Jahr erst am Mittwoch Morgen die heiligen Camping-Plätze des W:O:A erreichten, mussten wir feststellen, dass unser Stammplatz gegenüber der Duschen bereits vollbesetzt war. Aber man kennt uns und die netten Nachbarn machen Platz. Das passiert uns dieses Jahr nicht! Die Abfahrt wird auf Montag Abend vorverlegt.


Montag, 1.8.2005

Heute soll es losgehen. Gegen Abend treffen Frank und Caddy bei mir ein, um bunte Lampen und Bier einzuladen, der Rest ist bereits in einem Anhänger und zwei Bussen verstaut. Unser amtierender König von Wacken Don Ludger Cardeneo und Frank, seinerseits König von Wacken 2002 werden heute die Vorhut bilden und ordentlich Gelände abstecken. Ich gönne mir noch einen Tag in der Zivilisation – dusche und trinke kaltes Bier.


Dienstag, 2.8.2005

Unser Stoßtrupp erreicht Wacken und staunt nicht schlecht. Neben uns haben sich nämlich zu diesem Zeitpunkt bereits die lustigen Jungs mit dem Traktor-Sarg-Gespann häuslich niedergelassen, und zwar richtig häuslich: mit Gartenzaun, Blumentöpfen, Haustür und Klingel, einer schönen Sonnenterrasse auf dem großen Caravan und einer Flex die losheult, sobald die Klingel betätigt wird – alles in Allem ein Kunstwerk, das sofort abgefeiert werden muss.
Volker, Till und Bruder Rasmus brechen heute auf, um am schönen Kieler Sandstrand ne Kiste Holsten zu vernichten, wie mir später berichtet wird. Ich dagegen packe gemütlich meine Sachen - ein paar Klamotten zum Wechseln für die bevorstehende Schlammschlacht und Nahrung in Form von Doseneintöpfen, Dosenfisch und selbstgemachter Frikadellen – Krischan wird mir später dafür danken.


Mittwoch, 3.8.2005

Während die Anderen bereits orgentlich uppjemaat sinn nach eineinhalb Tagen Wacken, lasse ich mich gegen Mittag von Krischan und seiner Killerente mit Benz-Haube abholen. Das Wetter ist wie geplant gut und wir können die sechsstündige Fahrt nach Wacken mit offenem Dach auf uns nehmen. Der Vorteil eines kleinen Tanks ist übrigens, dass man bei den vielen Tankstops die Gelegenheit hat, das Fahrtbier aufzustocken und man sich bereits während der Fahrt ein bisschen locker machen kann – Abfahrt: 12:00Uhr, Ankunft: 18:30Uhr, ganz ohne Stau. Lediglich bei der Einfahrt nach Wacken fängt es an zu regnen, aber wir lassen es uns nicht nehmen auch die letzten Meter aufs Gelände mit offen Dach zu absolvieren. Wir können ja schliesslich nicht wissen, dass wir jetzt einmal nass werden und für den gesamten Rest der Woche auch nass bleiben.

Mein Zelt ist bereits aufgebaut, der Grill ist an, das Bier ist kalt gestellt, besser kann man meiner Meinung nach gar nicht in Wacken ankommen – also fix uppjemaat und mal die neue Nachbarschaft in Augenschein genommen ... irgendwann dann betrunken und glücklich ins Zelt fallen – die Einen früher, die Anderen später.


Donnerstag, 4.8.2005

Der erste Tag! Frank weckt mich, oder Krischan, ich kann mich nicht erinnern, aber es ist verdammt früh. Sie wollen Bändchen holen - wäre früher kein Problem gewesen, aber seit der vip/presse/artist-checkin neben dem Parkplatz des Sparmarkts ist und nicht mehr direkt hinterm Gelände muss man da mim Auto hin und Autofahren bedeutet für den Frank erstmal nichts trinken – man kann sich also vorstellen, wie schnell der das hinter sich bringen will. Also alles ab in den Bus und los. Am Check-In dann dasselbe Bild wie jedes Jahr: eine ewig lange Schlange und es geht und geht nicht vorwärts. Zu allem Überfluss fängt es mal wieder an zu regnen und wir werden mit einer Plane abgedeckt(?), die ganze Schlange. Irgendwann haben wir die Bändchen ums Handgelenk und den Pass um den Hals und brechen auf, um uns schleunigst wieder locker zu machen, aufzubauen und die Schlange vor den Duschen mit Metal-Klassikern, alten Übermenschen- und neuen Ausgang Ost-Hits zu beschallen. Das wird dann natürlich prompt gemacht – zwischendurch eine kurze Lesung, grillen, noch mehr trinken. Bisher blieb keine aus unserem Tross verkatert oder krank auf der Strecke – wir sind in Form.

Ein kurzer Blick auf das Programm verrät: heute nichts Interessantes:
Tristania – hm, nichts für mich ...
Candlemass – s.o.
Oomph – muss nun wirklich nicht sein
Nightwish – schon paar mal gesehen und besser werden die nicht, eher langweiliger
Metal-Karaoke/Mambo-Kurt/W.E.T.-Stage und so:
nein, heute nicht – heute wird getrunken, sinn ja nit zum Spass hier!

Frank und ich lassen es uns allerdings nicht nehmen, bevor das Gelände zum ersten Mal die Pforten öffnet, einen kleinen Spaziergang darüber zu unternehmen. Ausser uns sind nur ein paar Roadies unterwegs, die mit Kisten umherdüsen und Leute, die hier und da Stroh auf dem matschigen Boden verteilen. Eigentlich mal ganz angenehm so nen ganzes Open-Air-Gelände für sich alleine zu haben.

Schrottgrenze-Atze, der heute kommen wollte, liegt wohl krank im Bett, der interne Schnurrbart-Contest muss also ausfallen, wäre allerdings eh nicht spektakulär geworden, denn Frank und ich hatten uns zuvor wie kleine Mädchen angestellt und uns keinen Schnurrbart wachsen lassen – aber das auch nur am Rande.

Einige von uns gehen dann doch Bands gucken, kommen allerdings teilweise schon nach dem ersten Lied von Nightwish wieder zurück. Hätte ich mir schon denken können. Meiner Meinung geht es sowieso erst morgen richtig los. Die Show heute – nur eine Vorbereitung auf das, was noch kommt.


Freitag, 5.8.2005

Ein neuer Tag in Wacken, wieder wird er mit Edvard Griegs Morgenstimmung eingeläutet. Von dem teilweise nicht kultiviertem Publikum ernten wir missbilligende und/oder irritierte Blicke, andere wiederum freuen sich auf solch angenehme Weise geweckt zu werden, bevor wir aufbauen und loslegen. Es ist gerade 8:00Uhr, also genug Zeit um sich locker zu machen, denn das Erste auf unserem Tagesprogramm ist Marky Ramone. Ich habe gestern sowieso schon die Meisterleistung vollbracht, mich abends für ein Stündchen hinzulegen, um dann nach 14 Stunden Schlaf zu merken, dass ich vergessen hatte, wieder aufzustehen. Wie an jedem anderen Tag in Wacken, ist es auch heute unsere Hauptaufgabe, die Schlange vor den Duschen zu rocken und zwischendurch wüst zu beschimpfen (unsere Meinung zum Duschen auf Festivals dürfte ja mittlerweile bekannt sein). Im Rahmen eines spontan abgehaltenen Luftgitarrenwettbewerbs kackt der angesehene Duschen-Redakteur Graf Disco, auf zwei Bierkisten sitzend, zu den Klängen von Adam bis Zora von den mächtigen Superfreunden vor die Menge aus Menschen, die zum Teil nur zum Kacken in dieser dämlichen Schlange stehen. Das Gelächter ist groß, die erbrachte Leistung wird ihn einen Tag später zum König von Wacken 2005 machen. Ein paar Jungs kommen auf uns zu und stellen sich als Hatedrive vor, sie seien gut und spielten gleich, wir sollten uns das gefälligst angucken, sie haben sich schließlich auch angesehen, was wir da fabrizieren. Klingt nach einem fairen Deal, aus einem bestimmten Grund, der gold-gelb ist und dessen Spitze aus Schaum besteht, bewege ich mich aber erstmal nicht vom Kühlschrank weg.

Nach dem ein oder anderen Bier, einer Dose Fisch in Tomatensauce und einem Frühstückskorn geht's aufs Gelände. Pünktlich um 12:40Uhr betritt Marky Ramone, der meiner Meinung nach uninteressanteste, aber zumindest noch lebende Ramone, in Begleitung von Ramonesmania die Bühne. Wie nicht anders zu erwarten, werden alte Ramones-Klassiker zum Besten gegeben. Die Stimmung im Publikum ist gut und die dargebotene Show wird nach allen Regeln der Kunst abgefeiert. Im Eiltempo wird so gut wie jeder große Ramones-Hit gespielt, und wäre Lemmy nicht dehydriert, hätte er es sich sicher nicht nehmen lassen, zu R.A.M.O.N.E.S. einen kleinen Gastauftritt zu geben.
Anschließend wird noch ein wenig über Sonata Arctica gelacht, bis wir uns dann wieder auf den Weg zurück zum Zeltplatz machen.

Durch den ständigen Regen wird es immer komplizierter da einigermaßen schnell und ohne auf die Fresse zu fallen durchzukommen. Einige Biere später überlegen wir uns, mal ein bisschen "vernünftige" Pressearbeit zu leisten und begeben uns in den Backstage-Bereich. Wie zu erwarten, gewinnen wir mal wieder den Preis für die größten Backstage-Asis und Frank ist die mit Anstand dreckigste Person, die hier rumlungert. Egal – erstmal Saufen und fleissig Hände schütteln, sowie diverse Kurz-Interviews mit Kamera, aber nicht angeschlossenem Mikrofon, dafür mit runter gelassenen Hosen (Caddy). Unter anderem treffen wir Jan-Chris De Koeyer von Gorefest, auf die wir uns sowieso schon seit Tagen freuen und Jon Nödtveidt von Dissection, die es nach langer Zeit am Samstag nochmal abzufeiern gilt. Frank macht dabei die ganze Zeit ein Gesicht wie ein kleines Mädchen, dem man gerade die erste Barby-Puppe geschenkt hat - wer könnte es ihm verdenken, wann trifft man schon zwei seiner Jugend-Idole innerhalb einer Stunde. Björn Goosses, Sänger von Night In Gales, erzählt uns von der neuen Platte, einer EP mit vier Stücken, die es übrigens anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Band gratis für zum Runterladen gibt (und zwar hier: http://www.n-i-g.com). Anschließend versenkt Caddy das Mikrofon im Wasserglas von Götz Kühnemund.

Zurück auf dem Zeltplatz entbrennt eine heiße Diskussion mit den Ordnungskräften. Unserem netten Traktor-Sarg-Freund Achim, der uns nur kurz nebenbei erwähnt mit einigen Metern Gartenzaun versorgte, wird der Führerschein entzogen. Wie jedes Jahr und jeden Tag in Wacken machten die Jungs nämlich eine kleine Spritztour mit ihrem kleinen Traktor, Höchstgeschwindigkeit etwa 5km/h. Sie werden von der Polizei angehalten und Achim muss pusten, hat zu viel und verliert seinen Führerschein, denn auf diesem Gelände gilt angeblich die Strassenverkehrsordnung kurz. StVO. Das kommt uns etwas komisch vor, denn lediglich einen Tag früher wurde uns da was ganz Anderes erzählt. Ein paar nette Wacken-Helfer waren nämlich dazu abkommandiert worden, ein großes Werbeschild aufzustellen, zu dumm nur dass an angeordneter Stelle unser Bus stand. Mach aber nichts, die Jungs fordern uns auf den Wagen beiseite zu setzen. Gesetzestreu, wie wir nun mal sind, machten wir darauf aufmerksam, dass wir alle betrunken sind und niemand von uns in diesem Zustand ein Kraftfahrzeug bewegen dürfe. Uns wurde entsprochen: Laut Veranstalter handelt es sich nämlich sowohl bei den Zeltplätzen als auch bei den verbindenden Wegen um Privatgelände. Es wäre uns also durchaus erlaubt, betrunken ein Kraftfahrzeug zu führen, der Veranstalter würde dies tolerieren und uns in diesem Fall sogar dazu auffordern, betrunken ein Kraftfahrzeug zu führen, um Platz für den Schildaufbau zu machen. Interessant – die Polizei sagt, hier gilt die StVO, der Veranstalter sagt, die StVO gilt hier nicht und fordert uns auf, betrunken zu fahren. Aber na gut ... die in Scharen herbeigerufenen Polizeikräfte lassen sich nicht überzeugen, die Auseinandersetzung legt sich und Achim sitzt da, mit Bier in der Hand, aber ohne Führerschein.

Mittlerweile ist es halb sechs und trotz strömenden Regens gehen wir Obituary gucken, nicht schlecht, haut mich dieses mal aber nicht wirklich von den Socken. Anschließend ausgiebige Bierpause im Backstagebereich. Bei der Gelegenheit treffen wir auch gleich wieder Götz Kühnemund. Auch wenn er die oben angesprochene Geschichte mit herunter gelassen Hosen erzählt bekommt, ist er doch ziemlich verärgert und irritiert über die angewandte Gesetzeswillkür. Erst letztes Jahr schrieb er einen kurzen Artikel über Achim und seinen Traktor mit Wacken-Gespann. Aus gegebenem Anlass denkt er darüber nach, in diesem Jahr einen kurzen Rockhard-Artikel darüber zu verfassen – man darf gespannt sein.

Schließlich gehen wir ein bisschen Machine Head und Cataract gucken. Machine Head bringen einen Hit nach dem Anderen, aber die Vorfreude auf Gorefest lässt alles um uns herum verblassen.

23:00Uhr: Gorefest-Time!
Ein Plan ist schnell gefasst, Caddy und ich wollen in die erste Reihe, schließlich geht es hier nicht um irgendeine Band, sondern um Gorefest. Dank des tagelangen Alkoholkonsums verlieren wir und sofort und promt stehe ich neben Frank in der erste Reihe (???). Hinter ihm Vicky, seine Olle, die er heimlich mitgenommen hat nach Wacken.
Schon ein Bild für die Götter: da steht der Frank, dessen Lebensinhalt Gorefest ist und an ihn gekuschelt et Vicky, wohlgemerkt erste Reihe.
Egal – das dargebotene Konzert nehme sofort in Liste meiner Top10-Konzerte auf. Ein Feuerwerk aus Hits, der Sound ist Super und ne nette Lightshow gibt's obendrauf. Im Laufe des Konzerts bin ich mir absolut sicher, gerade eines der besten Konzerte meines Lebens zu sehen. Ich schalte mein Gehirn ab, trinke und feiere zusammen mit Frank jede Sekunde des Konzerts gnadenlos ab. Nach dem Konzert beglückwünsche ich noch schnell Jan-Chris De Koeyer zur großen und hole das versäumte Händeschütteln vom Vormittag nach, leider ist niemand, der mich mit ihm photographieren könnte – sehr schade, hätte hier einen Ehrenplatz erhalten das Bild.

Anschließend geht es sofort zurück zum Zeltplatz. Das Herz beginnt langsam wieder normal zu schlagen, das Bier geht runter wie nichts. Wir bauen nochmal auf, während wir uns die ganze Zeit gegenseitig erzählen, wie unglaublich gut doch gerade Gorefest waren, obwohl jeder es gesehen hat. Wieder versammeln sich Leute, von überall her strömend, vor unserem Gartenzaun mit dem darauf angebrachten Duschen ist kein Heavy Metal-Banner, um noch bis tief in die Nacht mit uns zu feiern.


Samstag, 6.8.2005

Der letzte Tag in Wacken bricht an, wieder zeremoniell mit Griegs Morgenstimmung eröffnet. Kurzes Frühstück, ein paar Bier, dann aufbauen. Die Schlange vor den Duschen wächst wieder - wie immer geteilt in zwei Lager - die Einen, die duschen wollen und die Anderen, die mit uns sympathisieren, aber den Luxus einer richtigen Toilette zum Abkoten erleben wollen. Heute bringen wir denen mal was bei. Wie schon im letzten Jahr, wird abwechselnd von Drogenexzessen und Rock'n'Roll aus der Mötley Crüe-Biographie The Dirt und von Schwulenmorden und Kirchenanzünden aus Lords Of Chaos gelesen. Zwischendurch werden immer wieder große Hits zum Besten gegeben: von Judas Priest und AC DC über Metallica und Sepultura bis hin zu Ausgang Ost, den Chefdenkern und den Atomaren Übermenschen. Aber heute wollen wir ja was beibringen, also spielt der Kollege große Hits wie Höllenfeuerlicht und Mach mir die Schere in langsamer und daher verständlicherer Kuschel-Balladenform und erklärt den Text.

Unser Tagesprogramm beginnt um 15:00Uhr mit Overkill. Insgesamt ein guter Auftritt, routiniert wird ein Hit nach dem Anderen gespielt, der Sound ist gut, alles in Allem sehr nett, aber ehrlich gesagt ist aus Overkill mittlerweile ein bisschen die Luft raus, war aber trotzdem nett, sich das Ganze nochmal anzusehen.

Danach geht's rüber zu Dissection und da passiert es – ich weiss nicht, ob es daran liegt, dass die Sonne gerade scheint, oder daran, dass ich Blackmetal in den letzten Jahren immer langweiliger fand, aber irgendwie kann mich das gerade nicht begeistern. Sie spielen alle meine Lieblingslieder und geben wirklich Gas da vorne, aber irgendwie springt der Funke nicht wirklich über. Nicht nur mir scheint das gerade so zu gehen, um mich rum stehen haufenweise Leute, die der Show, die Dissection gerade abliefern, zwar gerne beiwohnen und sich freuen, aber richtig abgehen tut hier niemand – richtige Konzertstimmung kommt nicht auf. Mit der Zeit und immer größeren Hits und einem aufziehenden Gewitter, springt der Funke dann noch rüber, zumindest bei mir. Auch Caddy, der gerade vom Kacken wiederkommt, steigt gerne mit ein und so zollen wir doch noch unseren Tribut an Dissection – mit gnadenlosem Abfeiern.

Uns bleiben noch eineinhalb Stunden, um uns für Finntroll auf einen angemessenen Pegel zu trinken, wer Finntroll vorher schonmal gesehen hat weiss, dass dieser Pegel sehr hoch ist. Und schließlich habe ich die Idee des Tages, anstatt auf das matschige Festivalgelände stellen wir uns direkt neben der Bühne auf den kleinen Damm, der das umzäunte Festivalgelände, vom Backstagebereich trennt. Von dort aus hat man nicht nur eine prima Sicht auf die Bühne, sondern kann auch mit angucken, wie die Sonne über tausenden von Köpfen allmählich untergeht. Einigen scheint diese erhobene Position noch nicht hoch genug zu sein und so kann man beobachten, wie einige Leute auf Bäume klettern, und zwar nicht nur auf den nächsten Ast, nein, bis in die Baumwipfel! Auf dem Gelände scheint es einige Leute zu geben, die das ebenfalls für ne gute Idee halten – sie klettern auf die Dixi-Klos und lassen sich dort nieder. Die ganze Zeit während Finntroll hoffen wir, dass doch endlich mal einer von denen samt Dach durchbricht, aber nichts passiert. Finntroll reißen indes einen Hit nach dem Anderen vom Stapel und die Menge springt ausgelassen in der Gegend herum – ist halt immer noch ne super Kombination: Bier, Polka und Metal. Ich komme übrigens nicht umher, die Jaktens Tid aufzulegen, während ich diese Worte schreibe. Ich frage mich ernsthaft, was das noch toppen kann, gestern die überaus mächtigen Gorefest und jetzt die unglaublich bekloppten Finnen-Trolle.
Vor uns steht während des gesamten Konzerts ein kleiner, bekloppter Japaner, der sich ununterbrochen Bier reinfegt und dünne Tuntenstengel mit weissen Filtern raucht – für ihn scheint hier gerade ein Traum wahr zu werden: Polka-Götter aus dem hohen Norden unterrichten ihn im Saufen – lachst' dich weg!
Ich verpasse zwar gerade die große übermächtige Panzerdivision Marduk, aber das stört mich nicht, hat man ja im Endeffekt alles schon tausend mal gesehen. Ausserdem spielen Finntroll gerade Slaget Vid Bloodsälv und vor mir hüpfen besoffene Japaner auf und ab. Auf diesem Hügel hier mit allen den Köpfen unter einem fühlt man sich übrigens wirklich königlich.

Während Hammerfall mache ich dann mal eine weitere taktische Trinkpause, wobei dies eigentlich sinnfrei, denn trinken tun wir sowieso die ganze Zeit, aber Hammerfall muss ich nun wirklich nicht ansehen und auch die Partytage hat nach Finntroll nichts mehr zu bieten. Also erstmal zurück zum Zeltplatz. Dort angekommen, wird uns berichtet, dass gleich ein Kamerateam kommt, um uns zu filmen oder so, hatten wir ja letztes Jahr schon mal, glaube ich zumindest. Also wird nochmal alles aufgebaut vor unserem Finale heute Nacht, bei dem ja bekanntlich wieder das Schlagzeug verbrannt werden soll - The same procedure as every year, James! Es folgt Bier trinken, spielen, dabei filmen lassen, noch mehr spielen und noch mehr trinken.

Und schließlich machen wir uns das letzte für dieses Jahr auf zum Gelände, um den Rest von Kreator und Accept zu gucken. Mir fällt auf, dass ich auf bis auf wenige Ausnahmen dieses Jahr nur Bands gesehen habe, mit denen ich bereits die gesamte Jugend verbracht habe – laut auf den Ohren! Die Show von Accept ist, wie zu erwarten, routiniert und nicht gerade von Überraschungen geprägt, auch wenn sich Udo Dirkschneider am laufenden Band zum Affen macht. Als Accept schließlich nach kurzer Zugabe aufhören, beschließe ich, dass es nun reicht, Sentenced und irgendwelche Special Guests brauche ich jetzt wirklich nicht mehr, dann lieber das eine oder andere kühle Bier und Wacken gemütlich ausklingen lassen. Nach und nach trudeln wir alle wieder am Zeltplatz ein. Ein letztes Mal wird alles aufgebaut. Der König von Wacken 2005 wird gekrönt, es ist wie zu erwarten Graf Disco für die große Kunst des Abkotens in der Öffentlichkeit, wohl bemerkt vor einer Schlange von Leuten, die da zum Kacken anstehen. Die Filmleute gucken auch noch mal vorbei. Der krönenden Abschluss ist wie jedes Jahr das brennende Schlagzeug und der vorsichtige Versuch eine kleine Pyro-Show auf die Beine zu stellen, ohne gleich wieder mehrere Einsatzwagen von Feuerwehr und Polizei am Hals zu haben.


Sonntag, 7.8.2005

Der Tag der Abfahrt. Was wir die ganze Zeit befürchtet haben, wird nun wahr. Die Wege rund um unser Camp ähneln einem Sumpf, durch den nur Traktoren mit Monster-Reifen kommen und wir müssen da heute durch - mit schweren Bussen auf dünnen Reifen und einer leichten Ente mit noch dünneren Reifen. Aber erstmal geht's ans Einpacken. Ich verhaue meine Zelt solange bis eine handliche Hugel wird und schmeiße es auf unseren Müllhaufen, die anderen Zelte, der Pavillon, der Kühlschrank und alles andere wird in den Hänger und die Busse gepackt und jetzt könnte es eigentlich losgehen. Wenn da nicht der Mike wäre, der nach durchzechter Nacht immer noch in seinem Zelt liegt und die letzten Sachen immer noch rumliegen und keinen Platz in den Wagen finden. Caddy und ich machen uns erstmal, einen Weg hier raus zu suchen. Nach rechts geht es gar nicht, dort ist der Acker am heftigsten aufgepflügt und die Autos werden einzeln von Traktoren vom Gelände gezogen. Es würde wahrscheinlich bis Dienstag dauern, bis wir an der Reihe sind. Also gucken wir uns die andere Seite an und entdecken unsere einzige Chance. Wir müssen mit dem gesamten Tross kreuz und quer über die Wiese zwischen Zelten und Autos hindurch und könnten die Straße erreichen mit nur drei Schlammweg-Überquerungen. Gedacht-Getan: Frank fährt im ersten Bus mit Hänger hinten dran vor, wir folgen mit der Ente, hinter uns Disco mit dem zweiten Bus. Mit Vollgas und genügend Anlauf kann man tatsächlich über den Schlamm hinweggleiten und wir kommmen runter vom Gelände. Mein Vorschlag für nächstes Jahr, wäre alles zu betonieren! Egal, nach schlappen sechs Stunden sind wir tatsächlich schon 60km vor Bremen – das klappt wie am Schnürchen. Irgendwann dann kurze Pause bei einer großen Fastfood-Kette und nach elfeinhalb Stunden sind wir tatsächlich zu Hause, fertig aber bereit für Wacken 2006!

Prost, der Holz 8/2005

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