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Die Stadien des besoffen seins!

Der absolut göttlichste Stand-Up-Comedian der ganzen Welt, Jürgen von der Lippe, hat mal seine geile Nummer "die sieben Stadien des besoffen seins" gebracht! So was Ähnliches kenn ich auch, aber nur zu gut:

Erstes Stadium. Ein ganz normaler Wochentag, ich komme von der Schaufel gekrochen, froh mir jetzt in Ruhe einen runterholen und dann essen kochen zu können. Mir geht es super! Da ruft der Klitsch an mit den Worten "na wo is denn mein kleines Schnuckiputzi, willst Du heute etwa kein Bier trinken? Willst Du Dich heute nicht gut fühlen? Ich muss auch morgen früh arbeiten."

Ich weiß, ich sollte erst gar nicht anfangen zu überlegen, aber wenn er doch auch nicht so lange machen kann, und bevor ich mich hier vor dem scheiß Fernseher langweile, und außerdem und hin und her…

Zweites Stadium: In unserer Altherrenstammkneipe, dem Boris, wo es von altklugen Rentnern und verwirrten Omis nur so wimmelt, bestellen wir ein Bier. Und weil es doch noch so früh am Abend ist, noch ein klitzekleines Minitöppchen. Ein Töppchen ist Korn Cola Light, das trinken hier immer die alten Damen. Wir trinken es zu Ehren des Gotthits von SUPERNICHTS der da heißt "Korn Cola Light".

Ja! Das ist ein guter Grund! Prost.

Im Fernsehen läuft Fußball, an der Theke fachsimpeln absolute Kenner lauthals über das eben gefallene Tor, und dass Oliver Kahn den Ball ja auf jeden Fall gehalten hätte, obwohl er ja ein Riesenarschloch ist! Wir halten uns da schön raus und erzählen uns stattdessen lieber unsere Alltagsscheiße von der Arbeit und von beschissenen Anrufen von noch beschisseneren Verwandten. Von dem Korn im Töppchen merkt man gar nichts. An der Theke sitzt ein Mädchen, Anfang zwanzig, eine Prachteule. Ich entschließe mich dazu, meine Freundin, die ich über alles liebe und vergöttere, kurz anzurufen, meine Liebe zu beteuern, zu erzählen dass wir jetzt uppmachen und alles in Ordnung ist. Sie findet das total lieb von mir. Hach, bin ich ein klasse Partner!

Stadium drei.

Nachdem wir jeder noch zwei Bier und zwei Töppchen getrunken haben, und uns gegenseitig versichern nichts, aber auch gar nichts zu merken, da fällt dem Klitsch auf, dass die ganzen Striche ja auf meinem Deckel sind. Also das will er so nicht auf sich sitzen lassen. Also das ganze noch mal von vorne, aber diesmal auf seinen Deckel. Es ist doch noch so früh am Abend, außerdem ist seine Haustüre exakt gegenüber von Boris´ Eingang! Wenn die Experten an der Theke aufschreien schauen wir ab und zu auch mal zum Fernsehen wo das Fußballspiel läuft, halten uns aber mit unseren Gedanken lieber zurück. Ich halte es für amüsant, noch mal bei meinem Engel anzurufen, um sie wissen zu lassen, das ich doch an sie denke. Sie sagt, sie findet das nett, aber denkt sich wahrscheinlich: "Was ein armer Irrer."

Stadium vier!

Wir wärmen alte Fickgeschichten auf, schwenken nahtlos über zu Saufgeschichten, und mit jedem Glas Bier wird das Töppchen mittlerweile automatisch mitserviert. Die Experten an der Theke werden immer lauter, so dass wir wie in Trance das Spiel mitverfolgen, obwohl wir überhaupt keine Ahnung haben wer denn da spielt. Aber darum geht es ja gar nicht! Es geht einfach darum, das Bier noch besser läuft, wenn man diese schöne Atmosphäre hier förmlich in sich aufsaugt. Dabei fällt mir ein: Kurz mal zwei Finger heben, mehr ist hier nicht mehr nötig, zwei Bier, zwei Töppchen traben an. Prost.

Stadium fünf!

Zeit wird relativ! Wir haben noch mehr als genug Stunden um zu schlafen, außerdem geht es uns so dermaßen gut, dass wir wahrscheinlich bis ans Lebensende nie wieder schlafen müssen!

In seiner subjektiv empfundenen, perfekten Welt, in der der kleine Klitsch im Moment lebt, lässt er sich von den hitzigen Diskussionen der betrunkenen Rentner anstecken, die im übrigen alle schon mal die deutsche Fußballnationalmannschaft trainiert haben, und zu mehrfachen Weltmeisterschaftsendspielen geführt haben. Glauben sie. Klitsch, der ja nun mal von Fußball so viel Ahnung hat wie eine Kuh vom Fahrrad fahren, schreit urplötzlich, und von der ganzen Kneipe gut hörbar "Anfänger" in den Raum, und nimmt guten Gewissens einen Schluck, weil er glaubt gerade irgendeinen Gegenspieler zutiefst beleidigt zu haben, und damit die Sympathie aller Kneipengänger auf seiner Seite zu haben.

Stadium sechs...

Was er in diesem Moment nicht wusste: Im Fernsehen ging es just in diesem Augenblick um Lukas Podolski, der absolute Top-Newcomer-Torjäger, und das neue, unfehlbare, fast schon gottgleiche Aushängeschild hier von unserem 1.FC Köln. In diesem Moment stocken die Diskussionen an der Theke, und das versammelte Rentnerpack dreht sich zum Klitsch um und sehen, wie der genüsslich das Bier aus dem Glas in seinen Hals kippt, debil zu der Thekenbesetzung rübergrinst und fachmännisch abnickt.

Ich bin hin- und her gerissen. Auf der einen Seite wird mir das Herz warm, wenn ich den Klitsch so glücklich wie ein Kleinkind, das am Schnuller nuckeln darf, vor mir sitzen sehe, auf der anderen Seite kriege ich Angst vor den Blicken der sonst so zerbrechlichen Rentner, deren Blicke locker Pfeilspitzen spalten könnten, und die uns jetzt in diesem Augenblick alle gleichzeitig treffen.

Während ich mein Herz pochen höre, und schon glaube das sei das letzte Mal, und der Klitsch schon wieder zwei Finger heben will, spricht ein Rentner aus, was alle denken: "Willst du den Boden küssen?" Klitsch lächelt freundlich rüber, wie es so seine Art ist, weil die Botschaft bei ihm schon längst nicht mehr ankommt. Bevor weiteres passieren kann höre ich mich sprechen: "Ach der hat doch keine Ahnung von Fußball."

Die Lage scheint entspannt.

Siebtes Stadium.

Das war jetzt so ein unglaublich einschneidendes Erlebnis, das ich es sofort mit meinem Engel teilen muss. Ich rufe sie an und schildere ihr im Detail, über dreißig Minuten lang, die Situation. Dabei kriege ich in schöner Regelmäßigkeit meine Standardgetränke vor mich gestellt. Mein Engel liegt schon im Bett, hat den Hörer wahrscheinlich längst unterm Kopfkissen liegen und überlegt wahrscheinlich mit mir Schluss zu machen.

So, jetzt müssen wir aber wirklich ins Bettchen, wir haben uns in den letzten zwei Stunden hundert Mal und öfter versichert jetzt doch was zu merken, ganz plötzlich und unerwartet, und in fünf Stunden müssen wir eh raus. Prima. Also aufstehen und den scheinbar länger gewordenen Weg zur Theke antreten, bezahlen. Dabei passiert was unerwartetes: Einer der Opis wärmt das unqualifizierte Klitsch-Kommentar von eben noch mal auf. Lallend und seine übel riechende Spucke versprühend versucht er, wahrscheinlich höflich gemeint, Klitsch zu erklären, dass er doch beim nächsten Mal, wenn er was gegen Lukas Podolski sagen sollte, eins auf die Fresse kriegt. Klitsch, ein kräftiger, eins achtzig großer, gesunder junger Mann, und der stockstramme, vielleicht hundertzwanzig Jahre alte, halbtote und wacklige Opaschatten seiner selbst. Aber Klitsch, auf dem gleichen Level, lässt sich wie selbstverständlich auf eine Diskussion ein. Ich erwähne noch kurz, dass wir jetzt echt pennen müssen, lasse mich aber umgehend von seinen zwei erhobenen Fingern überreden.

Stadium acht.

Während Klitsch mit Hans-Jürgen, mittlerweile sind die zwei per Du, von Lukas Podolski über Arbeitslosigkeit bis hin zu Süßwasserfischfutter alles mit vollster Leidenschaft ausdiskutiert, erzählt mir ein Kerl, der heißt Erich, seine komplette Lebensgeschichte. Ungefragt. Angefangen von seiner Geburt 1941 um neun Uhr und siebenundzwanzig Minuten. Aber er gibt mir Bier aus. Aus diesem Wust an Erzählung und Diskussionen kristallisiert sich urplötzlich heraus, dass Klitsch die Prachteule wahnsinnig interessant findet, und überlegt, die doch vielleicht gleich mit zu sich nach Hause zu nehmen. Weil ich die Idee unglaublich lustig finde, beschließe ich meinen Engel anzurufen, die wahrscheinlich schon seit Stunden schlafen dürfte, und den Hörer der Prachteule in die Hand zu drücken. Zum Glück hat mein Engel das Handy ausgeschaltet, und meine dreißig Euro teure Telefonkarte, die ich heute morgen erst gekauft hatte, ist eh schon runtertelefoniert, nicht zuletzt wegen den wenigen, knackigen Anrufen bei all meinen Freunden, um mich kurz auf deren Mailboxen darüber zu beschweren, dass die nicht hier sind zum mitsaufen.

Stadium neun.

Boris schließt die Kneipe ab. Von innen. Wir als seine besten Kunden kriegen noch einen Absacker. Wir nicht blöd, bevor wir gleich auf dem Trockenen sitzen: Töppchen und zwei Bier für alle. Eins für jetzt, eins für auf die Faust. Die Bilder vor meinem Auge verschwimmen. Ich frage mich ob wir eigentlich sexy aussehen, so als letzte Besucher in einer total zugeräucherten Kneipe. Aber eigentlich ist mir das egal, denn gleich macht ja der Venus Cellar auf, die absolut letzte, versiffte und hoffnungsloseste Absteige für so Alkoholwracks wie wir es sind. Klitsch findet diese Idee auf Anhieb brillant! Aber nicht so lange, wir müssen ja gleich raus. Ja ja, wir versichern uns hundert Mal dass wir echt nur ein Bier trinken!

Letztes Stadium.

Die letzten Versuche am frühen Morgen noch irgendwo ein halbes Löffelchen voll Spaß zu kriegen scheitern kläglich direkt vor Boris´ Tür und führen gradewegs in Klitschs Hajabettchen, wo ich mich direkt ablege und mich noch sagen höre: "Klitsch, Idiot, mach den Scheiß Herd aus!" In diesem Zuge stelle ich den Wecker auf in einer Stunde, und Klitsch gibt mir zu verstehen, dass ihm ja grade siedend heiß eingefallen ist, das er ja heute gar nicht aufstehen muss, weil er ja heute frei hat. Ich nicht. Verzweifelt erhebe ich zwei Finger in die Luft, aber nix passiert. Scheiße! Prost. KOLLEGE 09/05

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