STEREOPILOT, MTC Köln, Mittwoch 08. Dezember 2004: |
Ich komme geradewegs von der Schaufel, Schicht beendet, und gucke auf
ein kleines Bier beim übermächtigen Klitsch in seiner total vermüllten
Bude vorbei. Aber weil seine neue Lady ihm gestern befohlen hat den
Saustall gefälligst aufzuräumen, ist die Hütte innerhalb von zehn
Minuten wieder die geschmeidigste und geleckteste und mit brennenden
Kerzen verfeinerte Bumshöhle, die man von einem mächtigen Klitsch
gewohnt ist! Sogar die Lavalampe ist an. Und wie jedes Mal bin ich von
dem aufregenden und sensationellen Ding total beeindruckt…
Ja, ich muss Bier holen gehen, weil der Klitsch ne lauffaule Sau ist,
und als ich unten auf der Straße bin wirft er mir noch einen Schein aus
dem Fenster damit ich ihm seinen scheiß Tabak mitbringen kann.
Selbstverständlich bleibt der Schein ein Stockwerk tiefer auf der
Außenfensterbank liegen, und natürlich ist es ausgerechnet heute
windstill. Naja, der mächtige Klitsch geht runter klingeln. Keiner da.
Klitsch, Meister der Situation, geht eine Tür weiter, da macht einer
auf. Klitsch fragt den fremden Typen, ob er vielleicht zufällig ne
Angelrute hat, er muss da einen Geldschein von der Nachbarfensterbank
angeln… (also bitte, das muss man sich mal vorstellen…!)
Aber der fremde Papi, saulässig, hat echt ne Angel am Start (!) und
macht den Schein ganz lässig klar. Ohne dumme Fragen, ohne mit der
Wimper zu zucken. Als täte er das jeden Tag.
So, die Klitschkomatenfrau kommt, die Susi, und sperrt mich erstmal aus.
Aha, die will scheinbar nicht uppmachen, sonder lieber schnipp schnapp.
Hätt auch einfach watt sagen können, egal, denn wenn ich schon mal hier
bin, dann auch hopp, ab ins MTC auf der wunderschönen Zülpicher Straße.
Dem komischen Schnorrer, der immer davor steht und säuft und kifft,
schenke ich mein Restbier. Jeden Tag eine gute Tat. Eintritt kostet es
im MTC nicht mehr, ausgezeichnet. Ah ja (oh ah ah joh nä!), ich
erinnere mich, hab ich auf der Seite gelesen: Die Band heißt
STEREOPILOT und die bekennen sich beschämenderweise zum Alternative
Rock. Pfui!
Ja, knapp fünfzig Leute verirren sich da unten in dem Schuppen, und
exakt zwei Opas und zwei Omas sind auch dabei. Hm. Zweiter Frühling? Im
Winter? Cool! Alle halten sich so weit es geht von der Bühne fern, und
quetschen sich an der Wand und an der Theke lang. Umso besser, mehr
Platz für mich!
So, Dreimannband, alle in schwarz mit Hemd in der Hose und dünnen, roten
Krawatten. Obendrein noch scheiße gebunden. Der Gitarrist/Sänger trägt
einen ganz dünnen Oberlippenbart. Naja, singen kann der nicht so
wirklich, um nicht zu sagen gar nicht, und die Sache mit der englischen
Aussprache…nein, tut mir leid, das geht so überhaupt gar nicht!
Die Songs klingen irgendwie nach Anfängerband meets Aushilfsschlagzeuger
und lediglich der Basser bringt so etwas wie Groove in die Sache. Tja,
ich bin ja strikt dagegen fremde Bands einfach so, mal eben, total
scheiße zu finden, weil es ja wirklich nichts einfacheres und
erbärmlicheres auf der Welt gibt, aber hier… mein Gott bin ich froh das
ich mit dem Matze spielen darf!
Also der Schlagzeuger hier verspielt sich zwar nicht (schon mal gut!),
aber hat in etwa so viel Leidenschaft, Power, Drive und Rhythmus wie
mein linker Schnürsenkel (das erinnert mich doch glatt an wen!?).
Tja, dann Ansage. Und der Typ hat einen astreinen Westerwald-Dialekt, wo
es den Buchstaben „t“ nicht gibt! Findet außer mir hier aber keiner
witzig. So, der Sänger schnappt sich eine Akustikgitarre, und hat eine
Fußleiste mit zehn Knöppen vor sich liegen, und egal wo er drauftritt,
nirgendwo kommt watt jescheites bei raus. Dann muss er erstmal stimmen
(selbstverständlich nicht per High-Tech-Leiste, sondern per
Billigapparillo ausm Mülleimer), dauer dauer, dabei macht er Ansagen wo
er am Mikro vorbeispricht, Komik von Feinsten, und seine Mitmusiker
werden langsam ungeduldig. Und ich auch. Derweil unterhalten sich die
Leute, ich gucke mir die Decke an, und es geht und geht nicht weiter.
Dann ist was mit dem scheiß Kabel, dann läuft die Gitarre nicht, also
wenn die Typen jetzt noch rotzbesoffen dabei wären, dann würde ich
glatt wetten, hier stehen die ÜBERMENSCHEN auf der Bühne und finden
sich mal wieder unsagbar lustig! Aber so: Ich würde spätestens jetzt
mein Eintrittsgeld zurückverlangen, wenn ich was bezahlt hätte!
Irgendwann bemerkt der Sänger, das man so ein Teil tatsächlich auch
einschalten muss, toll, und dann bringt er, meiner bescheidenen Meinung
nach, einen unsagbar komischen Brüller. Also alle stehen gelangweilt
da, endlich ist die Band startklar, und er saucool ins Mikro: „Schnallt
euch an!“.
Und dann geht das akustische Geklimper los, dudel dudel. Findet keiner
lustig. Scheiß Band, scheiß Publikum, scheiß Kollege, scheiß Scheiß!
Naja, jedenfalls findet sich in der Musik doch noch eine etwas nettere
Melodie, immerhin, aber sofort danach wird ein Konrad Böggelshöfer oder
watt (scheiß drauf wie der heißt!) auf die Bühne gerufen, der jetzt ein
bisschen mitdudeln soll. Die Gitarrentauscherei dauert wieder drei
Jahre, und ich bin der festen Überzeugung, dass man das hier keinem
anbieten kann! Dudelei im Quadrat. Höflich formuliert: Ziemlich
schlimm!
Danach bittet der Basser um einen Applaus für seine Eltern (…?). Aha,
daher weht der Wind, deshalb sitzen die Omma und der Oppa da hinten,
wohlgemerkt an der Theke! Cool! Also dafür gebe ich selbstverständlich
Applaus! Der Sohn dudelt da mit seiner Kapelle rum, egal, Oma und Opa
hauen sich lieber den Arsch zu. So gut funktionieren die Ohren dann
doch noch! Saukomisch! Und dann folgt des Rätsels Lösung: Die Eltern
sind aus Jülich! Rockcity! Aha! Aber warum dann bitte so ein Band?
Dann hat der Sänger irgendwas mit seinem Fingerchen, deshalb kann er das
gezupfte Lied nicht zupfen, muss er anders spielen, schraddel
schraddel, und die Mitmusiker hoffen, das er nicht noch allzu oft sein
Intro abbrechen muss, und das er es doch bitte bis zum Einsatz der
restlichen Instrumente schafft…
…meine Herren…
Und wenn eine Band dann mal so ungemein geschmeidig daherkommt, dann
darf selbstverständlich auch nicht die Vorstellung eines jeden
einzelnen Bandmitglieds fehlen…
Irgendwann ist dann auch Ende (Gott sei Dank!), aber die mitgebrachte
Audienz brüllt artig nach Zugabe. Nett wie die Jungs sind geben die ein
DEPECHE MODE Cover zum Besten, mit dem Aua-Finger-Sänger am Keyboard!
Da bemerke ich in einem Satz zwei ganz gefährliche Sachen: DEPECHE MODE
und Keyboard! Aber ich bleibe hart! Jetzt gebe ich mir die ganze Sache
hier bis zum letzten Ton! Vielleicht wird es ja noch witzig.
Jetzt, beim letzten Stück, wird das Publikum gebeten, doch bitte bis an
die Bühne ranzukommen, damit da nicht fünf Meter Platz bis zur Band
ist. Und siehe da, geht doch. Klimper. Konzert zu Ende. Irgendein Typ
kommt auf die Bühne und gibt bekannt das der Basser jetzt noch
Geburtstag feiert. Aha. Aber ohne mich.
Also ich würde die Band nicht mal Leuten empfehlen, die so furchtbar
alternativ sind, das sie ihr eigenes Müsli im Garten züchten. Da würde
mich jeder noch so weltoffene und weggeballerte Hippie für taub
erklären. Also Problemchen hin oder her (mit Kabel, Gitarre, Schalter,
Fingerchen, Stimmgeräten, Fußtreter, Batterien, Hund, Katze, Maus,
Esel, Elefant…): Die Musik, die man dahinter zu erahnen glaubte, kann
ganz einfach nichts. Punkt. ´Tschuldigung. Auch wenn das an sich
scheinbar nette Typen sind: Bloß raus hier!
Klitsch und Frau treffe ich wieder, und er lädt mich auf ein paar Bier
ein. Dabei erörtern wir, wer denn nun intelligenter ist: Sie, die im
achten Semester Biologie studiert, und nur noch eine Prüfung in
organischer Chemie braucht um ihr Studium zu vollenden, und ganz
nebenbei grade stocknüchtern ist, oder der rotzevolle Klitsch, der bei
Nachbarn nach Angelruten zum Geldscheinfischen fragt…
Die überaus wichtige Entscheidung darf natürlich der kleine Kollege
fällen, der sich eben noch hat erklären lassen, das man tiefgekühltes
Schweinefleisch nach Möglichkeit nicht in die Nähe von
Rindfleisch-Fertigprodukten in die Truhen räumt…schwere Entscheidung!
Naja, die Rechnung teilen sich selbstverständlich sein Mädel und ich,
denn der mächtige Klitsch hat kein Geld mit! Applaus. Naja gut, dafür
hat er mir letztens Geld geliehen, und durfte dafür trotzdem alle meine
Cocktails zahlen. Aber als Dank dafür darf ich nicht bei ihm pennen und
darf noch nach Hause gurken, weil sie und er in Ruhe schnipp schnapp
machen wollen. Ja nu, das geht immer vor! Regel Nummer eins! Prost.
KOLLEGE 12/04
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