EDGUY, Live Music Hall, 02.Mai 2004: |
Frank ruft an, heute ist im Underground so ein Emergenza-Geschisse, wo
Bands gegeneinader spielen als wären sie Handballvereine. So ein
Blödsinn! Also hin, alleine schon weil die unglaublich mächtigen BONK
da spielen. Da mir das scheißegal ist, wer von den (mir eh unbekannten)
Bands meine Stimme kriegt, um eine Runde weiterzukommen, nehme ich mir
vor, für die BONK-Band aus meinem Heimatkaff zu stimmen und die damit
zu unterstützen. Jede Tag eine gute Tat.
Also Bier jekooft, beim einsacken vom Klitsch seiner Jammerei zugehört
von wegen „heul ich hab gestern die Flasche Vodka leergemacht bla bla
und ich komm nicht mit“, und schwupps stehen wir vorm Underground neben
dem Pack, das wir unsere Freunde nennen.
Zehn Euro Eintritt! Also solange ich keinen goldenen Eier kotzen kann
berappe ich nicht zehn Euro für ein paar Anfängerbands. Oder doch? Hm,
zehn Euro Eintritt müsste ich mir erstmal gleichgültig trinken. Harter
Job. Nebenbei legen wir fest, das wir noch einen Gig mit unserer
80-er-Jahre Coverband STALLONES spielen werden. Hö. Natürlich geht es
da um kostenlos uppmaachen, klar.
Na egal, Frank und ich entschließen uns dann doch nicht zu zahlen und
lieber ins Cave zu latschen, aber vorher kurz vor der Live Music Hall
rumzulungern und Power-Metaller abzufeiern, weil heute spielen da
nämlich die mächtigen EDGUY mit BRAINSTORM.
Für alle schändlich unwissenden: Power Metal hat nichts mit Baggys zu
tun, nichts mit Kappen und nichts mit runtergestimmten Gitarren. Die
haben da nichma n DJ dabei. Hä? fragen sich jetzt alle unter 25. Geht
doch gar nich.
Doch: Power Metal hat, wie der Name schon sagt, ziemlich Power (ist DIE
Erklärung GUT!), ist irgendwie sehr hektisch, soundmäßig so im
aalglatten Musikantenstadl-Gewand und die Stimme ist so ganz hohes,
eiergequetschtes Geschrei. War früher mal aktuell, als euer Papa noch
für freie Liebe war und selber noch gekifft hat. Und so. Aber heute
hören das vor allem so Leute, an denen der Zug der Zeit rasend schnell
vorbeigefahren ist, ohne die mitzunehmen. Also so Leute wie wir.
Egal jetzt!
Frank und ich haken den Abend geistig schon ab, setzen uns vor die Live
Music Hall, süppeln unser Bier und erklären uns gegenseitig halt die
Welt, als irgendein Typ rauskommt, und sich auf der ansonsten
menschenleeren Straße rumdreht und „Tschö Andi“ ruft.
Oh? Frank begrüßt den Herrn (LEBENSWEGE-Tastenmann,
WOHLSTANDSKINDER-Lichtmann, Live Music Hall-Ausbildungsmacher,
ich-brauch-keinen-Schlaf) Söntgerath, der mal wieder (wie immer)
arbeiten muss und sich viel lieber jetzt einen ins Blech löten würde.
Er fragt uns, ob wir reinwollen. Öh, ach, pffft, nö, eigentlich isset
hier auf der leeren Straße auch geil. NATÜRLICH wollen wir rein, SUPER!
Andi sagt zu der Maus am Eingang: „Die sind auf der Gästeliste...ich
muss die nur noch kurz draufschreiben...ach watt, interessiert doch
keine Sau, geht einfach rein!“
Einwandfrei. DANKE ANDI! Ganz groß, vielen vielen Dank! Nun gut, Frank
und ich also ab nach vorne, rechte Seite, wie sich das gehört. Da
spielt irgend ne Power Metal-Band gerade ihr letztes Stück. Kreisch,
fideldidü, Doublebass brumm brumm, Ende. Tja, die werden gut
abgefeiert, keine Ahnung wer das sein soll. Vielleicht BRAINSTORM? Man
weiß es nicht, auf jeden Fall dürften jetzt alle Drachen tot sein und
die Elfen alle befreit.
Ein Blick in die Runde: Hier hängen, wie man das auch erwarten würde,
nur Metaller rum, allerdings die von der alten Sorte mit hautengen
Karottenjeans, eng geschnürten Turnschuhen, Kutten und Matten mit
Plattenansatz. Also die Bezeichnung „Bauern- Metaller“ lasse ich nicht
gelten, das wäre fies! Die Jungs und Mädels sind nämlich alle ziemlich
nett hier, die lassen sich sogar, trotz vollem Haus, gegenseitig immer
so dreißig Zentimeter Platz zum rumstehen. Hö.
Wie auch immer: Ich zaubere zwei Zigarillos ausm Ärmel und wir lassen es
uns erst mal gut gehen, während wir schon wieder feststellen, das die
Duschband auf Zeltplatz C unter Wackengängern recht bekannt ist, neben
uns der Typ hat da auch schon was von gehört. Ja, wir auch.
Dann kommt ein „hui sind wir lustig-Intro“, und schon stürmen die fünf
EDGUY-Jungs auf die Bühne. Da ich nicht einen Song kenne, kann ich die
Begeisterung der ganzen Leute leider nicht teilen, aber ist scheinbar
ein Kracher. Ich höre da halt Power Metal, halt HELLOWEEN mit
meinetwegen IRON MAIDEN in den Mixer geworfen, ein Schüssken Modern
dabei und go. Allerdings besser vermarktet als alle anderen Metalbands
da draußen, die haben auch schließlich ein Video rauf und runter laufen
(King of Fools oder so) und die Fresse vom Sänger hängt an jeder
Werbewand.
Egal, der Sound ist wie immer in der Live Music Hall vom Feinsten, und
der Sänger titscht von einer Seite zur anderen wie ein aufgescheuchtes
Huhn. Der Bassist grinst die ganze Zeit, als hätte er sie nicht mehr
alle, und die Leute klatschen doch tatsächlich im Takt. Und wenn die
aufhören mit dieser schusseligen Klatscherei, dann animiert der Sänger
die auch noch zum weitermachen. Unglaublich! Ich habe bis gerade
gedacht, wir sind hier auf einem Metalkonzert!
Mannometer, kleiner Peter. Hinter mir tanzt ein Mädel, die genau wie
alle anderen hier nicht gerade der Burner ist, um es vorsichtig zu
formulieren, und der rechte Gitarrist mit seiner schwarzen Dauerwelle
(hä) hat einen Fuß auf dem Monitor. Na, wenigstens einer. Solieren kann
er auch recht OK, ich sage mal, der lässt wenig wie viel aussehen. Das
mache ich auch immer so, aber der macht schließlich Power Metal, der
soll mal loslegen, das mir die Augen rauskullern. Macht er aber nicht.
Hastest wohl nicht wirklich drauf, was?
Nun gut. Das Schlagmännecken spielt sehr tight und der Mischer hört die
Stücke wohl auch nicht zum allerersten Mal, denn andauernd kommen zum
richtigen Zeitpunkt kurzzeitig Effekte wie Hall aus dem Nichts, sehr
amtlich! Die weißen No-Name-10-Mark-vom-Aldi-Turnschühchen vom Sänger
gehören verboten, erst recht in Kombination mit der schwarzen Hose und
dem schwarze Jäckchen, die (ich sage mal leicht glamig/tuntig) bestickt
sind, und erst recht in Kombination mit dem schicken
H&M-Mädchen-Nietengurt, wo noch so mehrere kleine Kettchen
runterbaumeln!
Aber irgendwie süß...
Der sollte sich mal ein Beispiel am Grinsemann-Bassisten nehmen:
Schwarze Motorradstiefel. SO gehört sich das für erwachsene
Power-Metaller! Aber ist ja auch scheißegal, ist ja schließlich keine
Modenschau hier. ...wahrlich nicht!
Aber trotz allem: Sausympathisch die Schwaben (oder watt weiß ich watt
fürn Pack). Stimmlich ist der Sänger laut eigenen Angaben wohl wegen
einer Grippe angeschlagen, merke ich aber nichts von. Kein Wunder, ich
kenn den ihren Scheiß ja auch nicht. Und er fragt alle drei Meter „habt
ihr noch Spaß?“. Also Frank und ich haben Spaß, zumal der Frank ohne
weiteres pissen gehen und wiederkommen kann, bis ganz noch vorne, bei
laufendem Konzert. Also von übermäßigem Bewegen auf Konzerten haben
Power Metaller wohl noch nichts gehört, die freuen sich, wenn sie
lustig nach Aufforderung des Sängers ein bisschen „ohoho“ rufen dürfen.
Hach, Geil!
Im Hintergrund ist ein großes Teufelsköpfchen (welches natürlich bei so
einer grinsenden Spaßbackenband doppelt bedrohlich wirkt), das seine
Flügelchen zwischendurch mal flattern lässt. Also, Leckomat, da hat
sich jemand was einfallen lassen. Aber dafür gibt es Pyroscheiße satt!
Hier mal piff, da mal paff, und bei lustig bunten Lichtchen puff. OK,
die bieten was.
Frank erwähnt kurz noch, das es jetzt an der Zeit für ein Schlagzeugsolo
wäre, und prompt kommt auch eins. War ja klar. Joh, der hat schon mal
öfters gespielt, aber so richtig umhauen tut er damit wohl keinen.
Obwohl er zugegebenermaßen ne Ecke besser spielt als Chris Witchhunter
von SODOM auf dem legendären Live-Video von 88.
Wie auch immer, recht coole Band, und ich gönne denen ihren Erfolg,
genau wie BONK, die wohl eine Runde weiter sind. Geht doch. Prost.
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